Ein Beitrag von Nils Daps
Mit jedem Augenblick, der verstreicht, werden alleine in Deutschland mehrere tausend Tassen Kaffee getrunken. Um genau zu sein: 2315 Tassen – jede einzelne Sekunde! Und damit sind wir nicht allein. Im Gegenteil ist der deutsche Kaffeekonsum im Vergleich zu Ländern wie Finnland oder Norwegen, in denen der Normalverbraucher täglich 4 Tassen des Aufputschmittels zu sich nimmt, eher gemäßigt. Weltweit werden so 2,5 Milliarden Tassen täglich getrunken. Rechnet man diesen Wert hoch, kommt man auf unglaubliche
912.500.000.000 Tassen Kaffee jährlich
Kurz gesagt: Jeder kennt Kaffee und jeder mag Kaffee. Für viele ist er zum scheinbar unersetzlichen Alltagsbestandteil und Energielieferant geworden. Aus unserer Gesellschaft ist er heute nicht mehr wegzudenken.
Aber wo hat die Kaffeekultur ihre Wurzeln? Und warum mag jeder Kaffee? Geht es primär um die anregende Wirkung, von der wir in einer von Leistungsdruck und Stress geprägten Zeit immer abhängiger werden? Oder ist der charakteristische, einzigartige Geschmack der gerösteten Bohnen der Grund für unsere Wertschätzung?
Eigentlich hat das Kaffeetrinken eine jahrhundertealte Tradition: Angeblich wurde die Pflanze erstmals im 14. Jahrhundert von einem Hirten entdeckt, der bemerkte, dass seine Ziegen bis tief in die Nacht wach waren, nachdem sie von den roten Kaffeekirschen gegessen hatten. Der Hirte probierte die Kirschen daraufhin selbst, war allerdings angewidert vom bitteren Geschmack des rohen Kaffees und spuckte die Bohnen ins Feuer, woraufhin ihm der angenehme Geruch der “gerösteten” Kaffeebohne auffiel. Der Grundstein für die moderne Kaffeeröstung war somit gelegt
und wenig später wurde die Kaffeekirsche in Mokka, einer Stadt im Jemen, erstmals gezielt angebaut.
Heutzutage scheint man allerdings kaum etwas von der jahrhundertelangen Entwicklung, die der Kaffeekultur zugrunde liegt, zu spüren: Es gibt zwar überall haufenweise Cafés , aber im Endeffekt scheint alles recht monoton und primitiv zu sein: Kaffee ist Kaffee und fast die einzige Auswahlmöglichkeit, die man als Kunde hat, ist, mit wieviel Milch man seinen Kaffee mischen möchte. Das scheint auch nicht weiter verwunderlich zu sein. Im Großen und Ganzen gibt es nämlich, anders als beispielsweise beim Wein, der in über 50 grundlegend verschiedenen Sorten differenziert ist, nur zwei Kaffeesorten, die sich voneinander unterscheiden :
Arabica & Robusta
Und da der in Cafés angebotene Kaffee in der Regel auf einer Mischung dieser beiden Bohnen basiert, halten sich die Auswahlmöglichkeiten in Grenzen.
Die meisten Leute nehmen ihren Kaffee in Pappbechern mit und trinken ihn gestresst auf dem Weg zum Bürojob, der Geschmack ist zweitrangig, die Wirkung zählt. Auch Kaffeetrends wie der Bulletproof Kaffee, der mit geschmolzener Butter und Kokosöl auch noch lange satt machen soll, degradieren den Kaffee zum einfachen Konsumgut und wollen nur eins: Wachhalten! Leute, die sich am bitteren und verbrannten Aroma des Industriekaffees stören, allerdings nicht auf ihr Koffein verzichten möchten, betäuben den Geschmack bei Starbucks oder Coffee Fellows mit Erdbeersahne, Schokoladenstücken und Karamellsirup. Kurz: Kaffee ist in unserer heutigen Kultur ein Mittel zum Zweck und obwohl die Bohnen das zweitwichtigste Handelsgut der Welt sind und die meisten von uns täglich mehrere Tassen in sich hineinschütten, weiß kaum jemand überhaupt, wie ein wirklich guter Kaffee schmeckt. Und das wahrscheinlich ironischerweise gerade weil der Kaffee sich so sehr etabliert hat und sich so großer Beliebtheit erfreut, dass er ein Industrieprodukt geworden ist und maschinell verarbeitet und geröstet werden muss, um den Weltmarkt zufriedenzustellen. Die industrielle Röstung, die eine Folge der hohen Nachfrage ist, ist simpel: Bohnen jeglicher Art werden bei der gleichen Temperatur gleichlang erhitzt, das Ergebnis ist vergleichbar mit einem kleinem Muffin und einem großen Kuchen die man unter den gleichen Umständen gebacken hat: Der Muffin verbrennt, der Kuchen ist roh.
Verstärkt wird dieser Effekt noch dadurch, dass die Bohnen kaum auf einheitliche Qualität und Größe kontrolliert werden. Häufig gelangen eigentlich ungenießbarePflanzenreste in das Endprodukt, da die Kaffeepflanze häufig gleichzeitig Blüten sowie reife und unreife Kirschen trägt, die bei der maschinellen Ernte alle gleichzeitig geerntet und somit verarbeitet werden. Kaum einer ist allerdings unzufrieden mit dieser mangelhaften Qualität. Das unangenehme Aroma des verbrannten Industriekaffees wird sogar als typischer Kaffeegeschmack identifiziert, an den man sich eben erst gewöhnen muss. Wie sollte man auch unzufrieden mit etwas sein, das man nie anders kannte?
Es fehlt einfach der Kontrast. Und genau den findet man in den wenigen kleinen handwerklichen Kaffeeröstereien Deutschlands. Wir waren zu Besuch in der Wiggensbacher Rösterei PURSCHWARZ.
Das unangenehme Aroma des verbrannten Industriekaffees wird häufig als typischer Kaffeegeschmack identifiziert, an den man sich eben erst gewöhnen muss. Wie sollte man auch unzufrieden mit etwas sein, das man nie anders kannte?
Eines der ersten Dinge, die uns beim Betreten des Raumes aufgefallen sind, waren der komplizierte, wissenschaftlich wirkende Graph und die vielen Zahlen, die ein Bildschirm hinter der Röstmaschine zeigte. Jede einzelne Kaffeesorte, die hier geröstet wird, hat dieses individuelle, sogenannte „Röstprofil“, welches bestimmt, unter welchen Bedingungen die Bohnen geröstet werden. Die Profile werden in akribisch detaillierter Handarbeit entwickelt und stetig verbessert. Bis ein zufriedenstellendes Endprodukt entsteht, können ein bis zwei Jahre vergehen, die ersten Röstungen können in der Regel nicht einmal verkauft werden. Ziel der Röstung ist es, die zahlreichen Inhaltsstoffe des Rohkaffees (beispielsweise Säuren, Proteine und Fette) durch spezielle Temperatur, Luftzufuhr und Bewegung so zu verändern, dass ein einzigartiges Aroma entsteht. Kaffee kann nämlich nicht nur verbrannt schmecken, sondern über 800 verschiedene Aromen enthalten. Je nach Ursprung und Verarbeitung kann das Endprodukt zum Beispiel blumig, schokoladig oder herb schmecken. Spätestens hier merkt man, wie vielfältig Kaffee ohne Zugabe von Milch oder ähnlichem bereits von Natur aus ist. Vorteil der Röstung vor Ort ist auch, dass die grünen Kaffeebohnen, die in den kleinen, lokalen Röstereien ankommen, Aromen und Inhaltsstoffe optimal konservieren können und so im Gegensatz zum bereits geröstet importierten Industriekaffee kaum an Qualität einbüßen.
Aber wo kommt dieser Rohkaffee überhaupt her?
Prinzipiell kommt der Kaffee, den wir in unserer Tasse haben, unabhängig ob aus industrieller oder handwerklicher Röstung, fast ausschließlich aus dem sogenannten „Kaffeegürtel“, also aus tropischen Regionen um den Äquator wie Süd- und Mittelamerika, Ostafrika und Südostasien. Hauptexporteur ist dabei Brasilien. Im Kaffeegürtel herrschen perfekte Bedingungen für das Wachstum der Kaffeepflanze: Es gibt genügend Feuchtigkeit, gleichzeitig herrschen aber das ganze Jahr gleichbleibend warme Temperaturen und die Böden verfügen über genügend Nährstoffe. Das ist sehr wichtig, da die Qualität des Rohkaffees natürlich eine entscheidende Rolle im Geschmack des Endprodukts spielt. So hat jedes Herkunftsland seinen eigenen unersetzlichen, charakteristischen Geschmack, in dem sich jeder Faktor des lokalen Klimas widerspiegelt.
Geschmack, in dem sich jeder Faktor des lokalen Klimas widerspiegelt. Während der Industriekaffee allerdings bis zu uns als Verbraucher durch viele verschiedene Hände geht, die natürlich alle ihren Anteil am VerkaufsPreis haben wollen, und so in dem wenigen Geld, das wir bezahlen, kaum etwas für den eigentlichen Kaffee übrig bleibt, bemühen sich viele Privatröstereien, wie auch „Purschwarz“ um sogenannte „Direkttrades“, also um direkte Kontakte zu den Kaffeebauern im Kaffeegürtel. So werden auch kleinere unabhängige Bauern unterstützt. Die Bauern erhalten einen fairen Preis für ihr Produkt und der Kunde bezahlt keine riesigen Konzerne, sondern nur den Kaffee, den er am Ende in seiner Tasse hat. Zum Vergleich: Für 1 Kilo Industriekaffee erhält ein Kaffeebauer rund 30 Cent, für einen Kilo aus einem Direkttrade 5–10 Euro.
Neben Bohnen und Wasser ist die richtige Zubereitung der dritte und letzte Faktor, von dem ein wirklich gutes Endprodukt abhängig ist. Je nach Zubereitungsmethode ist der Kaffee, zum Beispiel bei der immer häufiger in privaten Haushalten zu findenden Siebträgermaschine, tiefschwarz, ölig und vollmundig, während der klassische Filterkaffee von der Konsistenz einem Tee nahe kommt. Bei diesem ist dafür allerdings das Aroma der Bohne viel unverfälschter und klarer wiedergegeben. Neben diesen sehr verbreiteten Methoden gibt es mittlerweile zahlreiche innovative, unbekanntere Methoden der Kaffeezubereitung, so zum Beispiel die Aeropress oder das Siphon, bei dem der Kaffee in einem Vakuum-Unterdruck-Verfahren in zwei Glaskolben zubereitet wird. Jede dieser Methoden hat wiederum ein unterschiedliches Optimum, was Mahlgrad des Kaffees, Wassertemperatur und Kaffeemenge angeht..
Kaffee kann über 800 verschiedene Aromen enthalten
Je tiefer man in die Details der Kaffeeverarbeitung und Zubereitung geht, desto stärker fällt einem auf, dass der Kaffee, den wir aus unserem Alltag kennen, nur die Spitze des Eisbergs ist.
Es gibt unzählige Faktoren, die zu dem Endergebnis in unserer Tasse beitragen und obwohl manches kleinlich und exzentrisch wirken mag, schmeckt man die Auswirkungen auf das Endprodukt doch deutlich ohne ein Feinschmecker zu sein. Von „Kaffeekultur“ kann man in Deutschland kaum sprechen, wir schwimmen lediglich an der Oberfläche eines Themas, welches wir denken verstanden zu haben, das jedoch viel mehr Zeit und Achtsamkeit verdient und benötigt. Wir zwängen Kaffee in den begrenzten Rahmen unseres alltäglichen Lebens und vergessen dadurch ihn zu genießen.
Natürlich konnte ich in diesem kurzen Artikel nicht mehr als einen kurzen Überblick über ein so viel umfassendes, komplexes Thema geben. Wessen Interesse für lokale, authentische Kaffeekultur jetzt allerdings geweckt wurde, wird bei einem Besuch auf der Internetseite von „Purschwarz“, oder vor Ort in Wiggensbach definitiv auf seine Kosten kommen.
An dieser Stelle nochmal Dankeschön an Alexander Gourguis, den Gründer von „Purschwarz“ ,ohne dessen umfangreiches Wissen und hilfsbereite Unterstützung dieser Artikel nicht zustande gekommen wäre.